Sind Sie zufrieden?

Ich hatte nur die Kaufbelege des letzten Monats sortieren wollen. Man möchte ja einen gewissen Überblick über vergangene Exzesse erhalten, auch wenn sie finanziell noch so schmerzhaft waren. Durch die Kreditkartenabrechnung erlebt man alle Vergnügungen noch einmal. Man sollte den Kreditinstituten dankbar sein für ihre penible Dokumentation unserer Verluste. Posten für Posten war ich gerade einen Kassenbon durchgegangen und wollte ihn schon zerknüllen, da fiel mein Blick auf den unteren Rand.
‚Sind Sie zufrieden?‘, stand da. Darunter eine Telefonnummer. Ich hielt inne. Man war es ja gewohnt, dass unter Kassenzetteln immer noch irgendetwas drunter stand. ‚Sie hätten 455 Punkte sammeln können‘ oder ‚Supersonderfrischwochen bei Kaufi‘. Aber wer rechnet mit einer derart existenziellen Frage wie: ‚Sind Sie zufrieden?‘

Ich kam ins Grübeln. Mit dem Einkauf war ich schon zufrieden gewesen. Es war nichts Vergammeltes dabei gewesen … nein, alles war in Ordnung. Und sonst? Blöde Frage, ob ich zufrieden war. Und dann die Telefonnummer. Sollte ich da anrufen, wenn ich zufrieden wäre? Oder wenn ich nicht zufrieden wäre? Oder würde mir am anderen Ende vielmehr jemand sagen, ob ich zufrieden war und warum?
Mit gerunzelter Stirn legte ich den Kaufbeleg beiseite und sah unentschlossen zum Telefon hinüber, das auf der Kommode harmlos in seiner Ladestation stand. Man wüsste ja schon gern, was das sollte. Irgendeinen Reiz mussten ja auch die Wahrsagefuzzis haben, die im Fernsehen auftraten oder persönliche Horoskope erstellen. Wer könnte schon der Versuchung widerstehen, etwas über sich zu erfahren, ohne sich selbst dafür anstrengen zu müssen? Ohne mit einer Erfahrung dafür bezahlen zu müssen? Ärgerlich nahm ich den nächsten Kassenbon vom Stapel. Einfach nicht mehr drüber nachdenken, sagte ich mir. Elf Euro für Käse. Meine Güte, was war denn das für eine Käseorgie gewesen?
‚Sind Sie zufrieden?‘
Himmel nochmal, woher sollte ich das denn wissen? Ich fragte mich, welcher Sadist da eigentlich in der Kassenbonredaktion saß und solche Sprüche unter die Zettel schrieb. Das kostete doch alles auch Geld! Der Bon war dadurch bestimmt einen Zentimeter länger und auch die Tinte war doch nicht umsonst. Bei der Menge, die so ein Supermarkt am Tag davon druckt, kam sicherlich ein hübsches Sümmchen zusammen. Und alles nur, um mich zu fragen, ob ich denn zufrieden war? So ganz allgemein?
Ich griff zum Telefon. Dem musste ich auf den Grund gehen, ein für alle Mal. Ich hatte die Nummer schon fast eingetippt, als mir ein neuer Gedanke kam. Was, wenn genau das der Trick war? Wenn das so eine kostenpflichtige Nummer war und ich mit meinem Anruf nicht nur den zusätzlichen Zentimeter Kassenbon, sondern auch noch das Stundengehalt eines Kassenmitarbeitenden bezahlte? Vielleicht überschüttete mich am anderen Ende auch jemand mit Werbung, läse mir gar alle Sonderangebote vor? Grässlicher Gedanke.

Ich legte das Telefon zurück und versuchte Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Vielleicht sollte man durch solche Störaktionen nur davon abgehalten werden, einen zu genauen Überblick über seine Finanzen zu erhalten. Ich stand auf und zog mir die Jacke an. Ein Spaziergang war jetzt nötig, um einen freien Kopf zu bekommen. Die Strategie des Supermarktes schien aufzugehen, dachte ich und zog die Tür hinter mir zu. Den Kassenbon warf ich vor dem Haus in die Mülltonne.

Faire Bücher!

Autoren erhalten nur ca. 7% des Verkaufspreises eines Buchs. Deshalb verzichten Shops wie Autorenwelt.de zugunsten der Autoren auf einen Teil ihres Gewinns. Indem du dort einkaufst, unterstützt du die faire Bezahlung von Kreativen. Danke!

Social Media